Ich experimentiere gern mit unterschiedlichen Materialien, um Plakate zu schaffen, die nicht nur visuell, sondern auch haptisch etwas erzählen. Seit einiger Zeit kombiniere ich Pigmenttusche, Acrylfarbe und Kreide in verschiedensten Schichten — und die Ergebnisse sind oft überraschend: tiefe Texturen, matter Schimmer, feine Kratzspuren und eine Mischung aus kontrollierter Typografie und zufälligen „Unreinheiten“, die dem Druck Leben geben. In diesem Beitrag teile ich meine erprobten Techniken, typische Fehler und konkrete Mischverhältnisse, damit du ähnliche Effekte für deine Plakate erzielen kannst.
Warum diese Kombination?
Pigmenttusche bringt eine sehr feine, lichtechte Farbe mit hoher Deckkraft und eine gewisse Transparenz, wenn sie mit Wasser verdünnt wird. Acryl ist vielseitig: opak, schnell trocknend und lässt sich sowohl pastos als auch lasierend einsetzen. Kreide (Pastellkreide, Chalk-Pastille oder Kreidestifte) sorgt für einen matten, pudrigen Effekt und eignet sich besonders, um Flächen zu „entschärfen“ oder Übergänge zu betonen. Zusammen ermöglichen diese drei Materialien eine große Bandbreite an Oberflächen: von glänzend und glatt bis rau und staubig.
Materialliste (meine Empfehlungen)
| Material | Beispiel/Marke | Wozu |
| Pigmenttusche | Schmincke oder Dr. Ph. Martin's Bombay | feine Linien, Details, durchscheinende Lavuren |
| Acrylfarbe | Golden Fluid, Liquitex Basics | opake Flächen, Texturen, Pastosaufträge |
| Kreide | Schmincke Pastell, Faber-Castell Pastellkreide | matte Flächen, Verläufe, Nachbearbeitung |
| Fixativ / Mattes Sprühfirnis | Schmincke Fixativ | Schutz, Reaktivierbarkeit begrenzen |
| Pinsel & Rakel | Flachpinsel, Spachtel | versch. Strukturen |
| Papier | 300–600 g/m², Baumwoll- oder Mix-Papiere | nimmt mehrere Schichten auf |
Papierwahl und Vorbereitung
Das richtige Papier ist entscheidend. Ich nutze gerne schwereres Papier (300–600 g/m²) mit einer leichten Leinenstruktur oder saugfähigem Aquarellpapier. Bei zu glattem Papier rollen sich pastose Strukturen oder Tuschefurchen nicht so schön aus. Wenn du mit Siebdruck oder Collage arbeitest, funktioniert kraftiger Karton ebenfalls gut.
Vorbereitung: Grundiere das Papier leicht mit verdünnter Acrylfarbe (1:3 mit Wasser) oder einer dünnen Lage Gesso. Das sorgt für gleichmäßigere Saugfähigkeit und verhindert, dass die Tusche zu stark ausblutet.
Schichtaufbau — mein typisches Vorgehen
- Grundschicht (Acryl): großflächige Tonwerte, schnelle Farbflächen, evtl. mit Strukturspachtel oder Palettenmesser aufgebracht.
- Zwischenschicht (Pigmenttusche): Linien, feinere Texturen, Lavuren. Ich nutze Tusche entweder unverdünnt für knallige Linien oder stark verdünnt für lasierende Effekte.
- Atmosphäre (Kreide): mit den Fingern, einem Tortillon oder einem breiten Stumpf verwischen, um die Übergänge zu „verschmieren“ und Oberfläche zu mattieren.
- Akzente (Acryl pastos): kleine, strukturvolle Punkte oder Balken mit einem Spachtel aufgetragen für Relief.
- Finish: bei Bedarf leichtes Fixativspray, um die Kreide zu stabilisieren, dann eventuelle feine Tusche-Highlights wieder setzen.
Techniken und Tricks
Ein paar Praktiken, die mir immer wieder gute Ergebnisse liefern:
- Wassersteuerung: Pigmenttusche reagiert stark auf Wasser. Trage sie in mehreren dünnen Lasuren auf statt in einer dicken Lage, um Granulierungen zu kontrollieren.
- Nass-in-nass vs. nass-auf-trocken: Wenn du weiche Übergänge willst, arbeite nass-in-nass (z. B. Tusche auf noch leicht feuchtes Acryl). Für scharfe Konturen warte, bis die Schicht trocken ist.
- Texturierende Werkzeuge: Rakele, alte Zahnbürsten, grobe Pinsel oder sogar grobes Tuch erzeugen feine Kratzspuren und Sprenkel.
- Maskierung: Verwende Masking Fluid oder Abdeckband für klare Typo-Flächen, dann setze Textur drumherum.
- Reaktivieren: Pigmenttusche kann reaktiviert werden — das nutze ich, um nach dem Trocknen noch subtile Verschiebungen zu erzeugen. Acryl ist nach dem Aushärten weniger reaktiv.
Farbrezepte und Mischverhältnisse (Praxisbeispiele)
Hier ein paar Mischungen, die ich oft benutze:
- Transparente Lavur: 1 Teil Tusche + 4–6 Teile Wasser — ideal für Hintergrund-Waschungen.
- Mid-Tone Lasur: 1 Teil Tusche + 2 Teile Wasser + ein Spritzer Acrylbinder — hält besser auf vertikalen Flächen.
- Pastose Struktur: Acryl ohne Zugabe, mit Spachtel aufgetragen; nach Trocknung mit Kreide partiell abgepudert.
- Matte Schicht: Kreide grob mit Pinsel auftragen, nicht verwischen, dann leicht fixieren.
Häufige Probleme und Lösungen
Wenn du neu mit der Kombination arbeitest, treten einige typische Schwierigkeiten auf:
- Ausbluten der Tusche: Ursache: zu saugfähiges Papier oder zu dünne Vorbehandlung. Lösung: Grundieren, Tusche konzentrierter auftragen, schnell mit Acryl überarbeiten.
- Schmierige Kreide: Ursache: zu viel Fixativ oder feuchte Unterlage. Lösung: Fixiere nur leicht, arbeite in mehreren dünnen Schichten Kreide und benutze Handaushärtung (kurz trocknen lassen).
- Risse in pastosen Acrylaufträgen: Ursache: zu dick aufgetragen auf flexibler Fläche. Lösung: dünnere Schichten, langsam trocknen lassen; schwere Papiere verwenden.
- Unerwünschte Glanzstellen: Ursache: ungleichmäßiges Firnis. Lösung: matte Firnis verwenden oder punktuell mit Kreide mattieren.
Inspirationen für Anwendungen
Ich nutze die Kombination häufig für:
- Poster mit reduzierter Typografie und texturiertem Hintergrund
- Limitierte Druckauflagen, bei denen jede Ausfertigung kleine Unterschiede zeigt
- Plakate für Ausstellungen oder Konzerte, bei denen eine rohe Materialästhetik gewünscht ist
Ein häufiger Workflow: Basisgrafik digital setzen, als Negativ ausdrucken und als Schablone nutzen; dann die analogen Schichten mit Tusche, Acryl und Kreide „bespielen“. So bleibt die Typo sauber, die Flächen aber lebendig.
Mein Tipp fürs Experimentieren
Arbeite in Serien: mach mehrere Varianten gleichzeitig — eine Schicht verwerfen, bei der anderen eine neue Idee probieren. Fotodokumentation ist wichtig: notiere Mischverhältnisse und Trocknungszeiten. Manche „Fehler“ werden später zu Lieblingsdetails.
Wenn du willst, kann ich in einem nächsten Beitrag Schritt-für-Schritt eine konkrete Posterarbeit dokumentieren — inklusive Fotos von jeder Schicht und genauen Mischverhältnissen. Schreib mir, welche Farbigkeit oder welchen Stil du ausprobieren möchtest.